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Israel und die Shoah verstehen lernen – Zwischen dem Holocaustgedenken und neuen Ideen zur bilateralen Zusammenarbeit

Besucherinnen und Besucher von Yad Vashem schauen sich die Ausstellung im Museum der Geschichte des Holocaustan.

Zwischen dem Holocaustgedenken und neuer Zusammenarbeit

Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und das Landesbüro Israel ermöglichen eine multiperspektivische Betrachtung des Holocaust, vermitteln aber auch Einblicke in das moderne Israel.

[Schule NRW 12-22]

Für das Land Nordrhein-Westfalen ist die Erinnerungskultur an die Shoah ein integraler Bestandteil seiner intensiven Beziehungen zu Israel. Dies zeigt sich vor allem in der langjährigen Kooperation mit der „Internationalen Schule für Holocaust Studien der Gedenkstätte Yad Vashem“ (ISHS) in Jerusalem, die Fortbildungen und Programme für Lehrkräfte anbietet.

Die herausragende Bedeutung der Beziehungen zu Israel wurde zudem durch die Gründung des Landesbüros Israel und im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung im Juni 2022 bekräftigt. Das Landesbüro Israel fungiert als Begegnungsort für Wirtschaft, Bildung, Forschung und Kultur und ist seit 2020 die nordrhein-westfälische Repräsentanz in Tel Aviv.  

 

Yad Vashem als wichtiger Bildungspartner

Der Zusammenarbeit mit der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel kommt innerhalb der Erinnerungskultur an die Shoah und des aktiven Kampfes gegen jede Art von Antisemitismus neben der Vermittlungsarbeit der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in Nordrhein-Westfalen selbst eine herausragende Bedeutung zu: Seit 1998 werden für nordrhein-westfälische Lehrkräfte, Richterinnen und Richter sowie für Polizeikräfte regelmäßig Fortbildungsreisen nach Yad Vashem veranstaltet. Diese und noch weitere Formen der engen Zusammenarbeit wurden im Jahr 2014 in der bis heute gültigen Gemeinsamen Absichtserklärung zur weiteren Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem festgeschrieben.  

 

Das Landesbüro Israel als NRW-Repräsentanz

Im März 2020 hat das Land Nordrhein-Westfalen auch ein eigenes Landesbüro für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Jugend und Kultur in Tel Aviv eingerichtet. Das Landesbüro intensiviert vor Ort die Beziehungen zu Israel, entwickelt neue Projekte und stellt einen Begegnungsort für Besucherinnen und Besucher aus Nordrhein-Westfalen dar. Auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ist ein wichtiger Partner für das Landesbüro. Es besteht ein regelmäßiger Austausch mit der Internationalen Schule für Holocaust Studien, um die Gemeinsame Absichtserklärung auch während und nach der Corona-Pandemie weiter mit Leben zu füllen und neue Impulse zu geben. Dabei hat die Fortbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und besonders von Lehrkräften eine herausragende Bedeutung.

 

Internationaler Erfahrungsaustausch für Lehrkräfte

Die Internationale Schule für Holocaust Studien (ISHS) in Yad Vashem wurde im Jahr 1993 eingerichtet und intensiviert seit den 2000er Jahren den Austausch mit Pädagoginnen und Pädagogen auf internationaler Ebene. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Konzeption von Fortbildungsformaten für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren gelegt. So sind zwischen Yad Vashems Sektion für die deutschsprachigen Länder und deutschen Partnerinstitutionen Kooperationen entstanden. Diese Kooperationen basieren auf Absichtserklärungen, die mit den Bildungs- und Kulturministerien geschlossen wurden.

Nordrhein-Westfalen gehört zu den frühesten Kooperationspartnern und die Zusammenarbeit stellt in vielerlei Hinsicht ein Modell für Kooperationen mit weiteren Partnerinstitutionen dar.

Ein wichtiger Schritt in dieser Zusammenarbeit mit deutschen Partnerinstitutionen war die Unterzeichnung einer Erklärung zwischen der Kulturministerkonferenz und dem Bildungsministerium des Staates Israel über die Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Yad Vashem im Jahr 2013. Ein besonderer Fokus wurde auf den Austauschcharakter dieser Zusammenarbeit gelegt, durch den Informationen und Vermittlungsansätze zwischen Yad Vashem und deutschen pädagogischen Einrichtungen, Hochschulen, Gedenkstätten, Museen und Organisationen zusammengebracht werden sollen. Ebenso findet die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien zum Teil in enger Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen im deutschsprachigen Raum statt.

 

Unterrichtsmaterialien und Fortbildung

Im Jahr 2018 entstand in enger Kooperation mit Institutionen, Pädagoginnen und Pädagogen sowie mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Nordrhein-Westfalen das dreiteilige Material zum Thema "Entscheiden und Handeln – Bialystok am 27. Juni 1941: Das Massaker und seine Auswirkungen nach 1945. Hierbei wurde die ISHS im Besonderen durch die Perspektiven der Täterforschung und Regionalrecherchen der Mitarbeitenden der Villa ten Hompel in Münster, der Alten Synagoge Wuppertal und der Landeszentrale für politische Bildung NRW unterstützt. Darin geht es um ein Massaker, das deutsche Polizeikräfte des Bataillons 309 aus Köln im polnischen Bialystok an der jüdischen Bevölkerung verübt haben. Durch einen multiperspektivischen Ansatz bietet das Material ein Konzept zur pädagogischen Vermittlung von Täterschaft aber auch den Blickwinkel anderer Akteure an. Somit wird auch die Fähigkeit zur kognitiven Empathie der Lernenden gefördert.

Die in Yad Vashem entwickelten Bildungsmaterialien werden am Desk der deutschsprachigen Länder in ein- bis zweiwöchigen Fortbildungsseminaren modellhaft vorgestellt und diskutiert. Die Fortbildungen, die auch online angeboten werden, umfassen Führungen, Workshops, Fachvorträge, Podiumsdiskussionen und Exkursionen. 

Die Behandlung der Themen NS und Holocaust im Unterricht ist in Nordrhein-Westfalen bereits seit den 1970er Jahren Teil der Rahmenpläne des Schulministeriums. Schulen haben die Verantwortung für die Vermittlung der Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus. Der Einfluss rechtsradikaler Gruppen sowie die Geschichte des Staates Israel gehören mit zu den wesentlichen Unterrichtsinhalten.

 

Antisemitismus als aktuelles Thema

Heute ist die Existenz von Antisemitismus in seinen vielfältigen Erscheinungsformen ein wichtiges Motiv für Lehrkräfte, an den Seminaren zu Holocaust Education in Yad Vashem teilzunehmen. Die sich ständig ändernden gesellschaftlichen Bedingungen, die rasante Entwicklung in der Digitalisierung und auch die immer größer werdende zeitliche Distanz zu den Ereignissen des Holocaust fordern Lehrerinnen und Lehrer heraus, sich ständig professionell weiterzuentwickeln und fortzubilden. Yad Vashem steht als Israels nationale Holocaustgedenkstätte wie keine andere Institution dafür ein, die Geschichte des Holocaust aus der jüdischen Perspektive zu erschließen und zu begreifen. Der unmittelbare Kontakt mit der israelischen Gesellschaft, Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden und Angehörigen der zweiten und dritten Generation sowie die Verflechtungen israelischer Familienbiographien mit der europäischen Geschichte sind elementare Erfahrungen, die die Teilnehmenden bei der Einordnung und Verdichtung ihres Wissens über den Holocaust unterstützen.

Bis heute ist das Thema in den deutschsprachigen Ländern vor allem im Geschichts- und Politikunterricht angesiedelt und wird in der Sekundarstufe II unterrichtet. Das Konzept von Yad Vashem setzt hingegen bereits im späten Grundschulalter an und sieht Holocaust Education als fächerübergreifenden Bildungsbaustein, der pädagogisch sensibel und auf altersgerechte Weise durch alle Alterststufen hinweg unterrichtet werden sollte. Andererseits erfüllt das Lernen und Wissen insbesondere im Zusammenhang mit der Geschichte des Holocaust aber auch die Aufgabe, der Opfer zu gedenken und die Erinnerung an sie zu bewahren und Namen zu nennen

Interessierte Lehrkräfte aus Nordrhein-Westfalen erhalten Informationen zur landesweiten Fortbildung „Erziehung nach Auschwitz“ in Kooperation mit der deutschen Abteilung der Internationalen Schule für Holocaust-Studien Yad Vashem in Israel über die Bezirksregierung Münster.

 

Autor: Dr. Nikolaj Beier, Büro des Landes Nordrhein-Westfalen für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Jugend und Kultur in Israel

 

Zum Weiterlesen: Deutschsprachige Online-Materialien der ISHS

Ausgewählte Unterrichtseinheiten