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Jüdisches Leben in der Schule – Ideen für den Unterricht

Eine junge Frau und ein junger Mann präsentieren im Rahmen der Initiative "Meet a Jew" religiöse Gegenstände des Judentums.

Jüdisches Leben in der Schule

Jüdisches Leben sichtbar und erlebbar zu machen sowie ein deutliches Signal gegen den erstarkenden Antisemitismus zu senden: Das sind die Ziele des Vereins „321-2021: 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, der von Köln aus das bundesweite Festjahr #2021JLID koordiniert.

[Schule NRW Extra-Ausgabe, Juli 2021]

Über 1.500 Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen, Theater, Ausstellungen und Podiumsdiskussionen, aber auch das Sommer-Festival „Mentsh!“ und das weltgrößte Laubhüttenfest „Sukkot XXL“ im September möchten Raum für Begegnungen und zum Kennenlernen schaffen – und wir hoffen, dass es uns mit diesem Festjahr gelingen möge, viel von dieser fröhlichen Natur der Religion an unsere Gesellschaft zu vermitteln, wie Abraham Lehrer, einer der Vereinsgründer und Vizepräsident des Zentralrats der Juden, betont. Ihm stehen dabei der Vorsitzende des Kuratoriums, der ehemalige Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Prof. Dr. Jürgen Rüttgers, Dr. Matthias Schreiber als Vorsitzender des Vorstandes, Staatsministerin a.D. Sylvia Löhrmann als Generalsekretärin sowie Andrei Kovacs als leitender Geschäftsführer zur Seite. Weitere Informationen über Aktuelles, Neuigkeiten und Personen erhalten Sie auf der Seite des Vereins unter https://2021jlid.de/.

Logo des Themenjahres "321-2021. 1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland"

Das Festjahr, das unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten steht, hat dabei besonders die junge Generation im Blick und baut auf breite zivilgesellschaftliche Beteiligung. Aus den Lehren der Vergangenheit kann so eine Gegenwart gestaltet werden, die eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen ermöglicht. Neben Schulprojekten wie „Shalom Cologne“ oder das Bildungsprojekt von „Zeitbild“ werden auf der Webseite www.2021JLID.de  auch ein Podcast mit wöchentlichen Interviews interessanter Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen Community veröffentlicht. Die Video-Clip-Serie „Jewersity“ und ein Puppentheater, dessen „Bubales“ auf kindgerechte Weise die jüdischen Feiertage erklären, geben viele interessante Einblicke.

Jüdisches Leben ist auch in Deutschland geprägt von Vielfalt. Schulbücher und Arbeitsmaterialien vermitteln jedoch meist nur einen sehr begrenzten Einblick. Häufig werden immer noch Stereotype reproduziert und der Blick auf Verfolgung, insbesondere durch das Gefälle zwischen Opfer- und Täterperspektiven im Nationalsozialismus oder Pogromen im Mittelalter, eingeengt. Das entspricht aber nicht einem authentischen, von Diversität gekennzeichneten jüdischen Leben. Zukunftsweisende Projekte im digitalen Format fehlen oder sind für den Unterricht nicht fachdidaktisch und praxisorientiert genug aufbereitet und umsetzbar.

Das Potenzial von außerschulischen Partnern, die große Auswahl der verschiedenen Lernorte mit ihren auf heutige Anforderungen zugeschnittenen pädagogischen Konzepten sowie die Möglichkeiten der vielfältigen neuen Lernzugängen für Schülerinnen und Schülern ist vielen Menschen des Bildungsbereichs häufig noch unbekannt.

Wir wollen mit unserer Arbeit vor allem die Vielfalt jüdischen Lebens für die Unterrichtspraxis vermittelbar machen. Während die Shoah und Antisemitismus dabei jederzeit eine wichtige Rolle einnehmen, liegt der Fokus insbesondere auf Begegnung mit dem jüdischen Leben und der jüdischen Kultur in Vergangenheit und Gegenwart. Alte Stereotype, die leider oft unbewusst im Unterricht vermittelt werden, aber auch in den sogenannten „Social Media“-Kanälen häufig anzutreffen sind, gilt es zu dekonstruieren und mit der Realität zu konfrontieren. Dieser Prozess ist sowohl von einer bunten Pluralität als auch von einem vielfältigen Diskurs geprägt. Jüdische Menschen werden im Zuge dieser Arbeit nicht allein als Opfer und Verfolgte, sondern als kulturelle, gesellschaftliche und religiöse Bereicherung und Teil der deutschen Geschichte und Gegenwart sichtbar gemacht.

Im Zuge der Digitalisierung haben viele verschiedene Institutionen ihr digitales Angebot ausgebaut und professionalisiert. So ist es möglich geworden, persönliche Geschichten, Entwicklung von Handlungsoptionen, die Fragen nach Integration verstärkt über digitale Angebote für unsere Schülerinnen und Schüler erfahrbarer zu machen. Angebote wie „7places.org“, „MALMAD - der virtuelle Methodenkoffer gegen Antisemitismus“ von SABRA und „Jüdisch hier!“ vom Landschaftsverband Westfalen Lippe bieten Lehrkräften konkrete Unterrichtsbeispiele und -methoden. Für Schülerinnen und Schüler wiederrum ermöglichen sie den niedrigschwelligen Zugang über beispielsweise mobile Endgeräte. Medienkompetenz und Digitalisierung sowie selbstständiges und praxisorientiertes Lernen werden somit systematisch gefördert und verzahnt.

Mit dem Instrument der digitalen Impulse hat der Verein „321 – 2021: 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V.“, mit uns als den vom Land NRW teilabgeordneten Fachberaterinnen und Fachberatern an der Bezirksregierung Köln, eine Reihe aufgelegt, in der wir verschiedene Konzepte und Beispiele für die pädagogische Arbeit in loser Folge vorstellen. Dabei werden verschiedene Digital- als auch Präsenzformate außerschulischer Lernorte sowie Experteninnen und Experten und deren inhaltliche Konzepte präsentiert. Vor dem Hintergrund des Festjahres #2021JLID stehen Inhalte des jüdischen Lebens im Fokus. Als Good-Practice-Beispiel für einen digitalen Impuls ist das Projekt „Jüdische Nachbarn - Ein Biografie geleitetes Projekt zum jüdischen Leben auf dem Land und in der Stadt in Lippe, im Rheinland und in Westfalen zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ zu nennen.

Dieses Projekt zielt darauf ab, die Vielfalt jüdischen Lebens im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens vor der NS-Herrschaft für Schülerinnen und Schüler zugänglich zu machen. Als Leitmotiv gilt der von der israelischen Holocaust- Gedenkstätte Yad Vashem grundgelegte Dreischritt jüdisches Leben vor, während und nach der Shoah darzustellen. In den nächsten Monaten werden regelmäßig verschiedenen Akteurinnen und Akteure ihre Konzepte vorstellen. Diese werden im Zuge der Nachhaltigkeit auch online auf dem Vimeo-Kanal des Vereins zur Verfügung gestellt. So können Interessierte im Nachhinein die verschiedenen digitalen Impulse abrufen und zum Beispiel für ihre Unterrichtsvorbereitung verwenden.

Neben der Präsentation und Erarbeitung von zeitgemäßen Unterrichtsmaterialien und dem Ausbau digitaler Angebote wird auf einem für den 8. Dezember 2021 geplanten Fachtag auch die Rolle von persönlichen Begegnungen von jüdischen und nicht-jüdischen Menschen im schulischen Kontext thematisiert werden. Die Fachtagung wird unter dem Titel „Jüdisches Leben in NRW – Lernen durch Begegnungen“ Angebote zur jüdisch/nicht-jüdischen Begegnung präsentieren und Raum dafür geben, deren Chancen und Grenzen zu diskutieren. Welche Potenziale bieten Begegnungskonzepte für das schulische Lernen? Welche pädagogisch didaktischen Überlegungen sollten dabei im Vordergrund stehen? Welche Methoden und Formate sind zur Vorbereitung und Durchführung von Begegnungen geeignet? Wie können dabei Formen des sogenannten „Othering“ vermieden werden? Die in Kooperation mit Bildungspartner NRW in Düsseldorf geplante Fachtagung sucht Antworten auf diese Fragen. Sie stellt Praxisbeispiele vor und bietet Raum zum fachlichen Austausch.

Adressatinnen und Adressaten der Fachtagung sind Lehrkräfte, Moderatorinnen und Moderatoren der Lehrerfortbildung und Fachleitungen der Zentren für schulische Lehrerbildung. So wird es auch möglich, dass insbesondere Begegnungspädagogik kritisch diskutiert und auch neu gedacht werden soll. Eines der Ziele ist, die jüdische Perspektive systematischer in den Schulalltag einzubetten. Durch Reflexion von Vor- und Nachbereitung sollen Kollegien unterstützt und gestärkt werden, sich aktiv für Begegnung mit jüdischen Menschen einzusetzen. Die Prävention gängiger Vorurteile, um antisemitischen Haltungen besser entgegenwirken zu können, stellt einen weiteren Schwerpunkt dieses Fachtages dar.

 

Autoren: Julia Hendrich und Felix Bjerke, #2021JLID

Für weitere Informationen

Nächster digitaler Impuls:
28. September 2021, 16.00 bis 17.30 Uhr

Weitere Informationen erhalten Sie bei Julia.Hendrich.ext[at]2021JLID.de (Julia Hendrich) und Felix.Bjerke.ext[at]2021JLID.de (Felix Bjerke).

 

Zum Weiterlesen:

  • Deutsch Israelische Schulbuchkommission [Hrsg.], Deutsch Israelische Schulbuchempfehlungen, Göttingen 2015.
  • Bernstein, Julia; Diddens, Florian, Antisemitismus an Schulen, in: Antisemitismus Studien und ihre pädagogischen Konsequenzen, Leipzig 2020
  • Bernstein, Julia, Antisemitismus in Schulen an Deutschland, Basel 2020.
  • Bernstein, Julia, Mach mal keine Judenaktion, Frankfurt am Main 2018.