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Mit Bewegung gegen Schulstress – Sport speziell für Lehrer

„Wer sich keine Zeit für Bewegung nimmt, wird sich irgendwann viel Zeit für seine Krankheiten nehmen müssen“, warnt der Kölner Sportmediziner Dr. Ingo Froböse. Dies gelte besonders für belastete Berufsgruppen wie Pädagogen.

Von Susanne Schnabel

 (© Derek Latta / iStockphoto.com)
(© Derek Latta / iStockphoto.com)

Mehr als die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen, 54 Prozent, möchten gerne mehr Sport treiben. Was sie nach eigenen Angaben davon abhält, sind vor allem Stress und Zeitmangel. Dies hat Katja Gruttmann, Studentin der Sporthochschule Köln, für ihre Diplomarbeit zum Thema „Sport für Lehrer“ ermittelt. Dr. Ingo Froböse, Leiter des Zentrums für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln und Betreuer der Diplomarbeit, sieht das Umfrage-Ergebnis kritisch. „Das sind vorgeschobene Gründe“, meint er, „wunderbare Ausreden“. Tatsächlich hätten viele Lehrer den Sport nicht verinnerlicht. Dabei könne Bewegung wesentlich zum Abbau von berufsbedingtem Stress beitragen.

Richtig ist die Sportart, zu der man einen Draht hat

Aber welche Sportart ist für Pädagogen die beste? „Grundsätzlich freue ich mich, wenn sich Lehrer überhaupt bewegen, und da ist es erst mal grundsätzlich egal, was sie tun“, antwortet Froböse. Zunächst gilt: Die sportlichen Aktivitäten müssen einen Ausgleich zur geistigen Belastung bieten. Dann betont der Experte: „Die Sportart ist immer die richtige, zu der man einen Draht hat. Die Hürde muss gering sein und die emotionale Beziehung hoch.“ Geeignet sind beispielsweise Sportarten, die jemand in seiner Jugend ausgeübt hat. Wichtig sei zudem, dass sich der Sport ohne viel Aufwand ausüben lässt, also nicht erst 30 Kilometer ins nächste Fitness-Studio zu fahren sind. Übrigens gilt für Lehrer das Gleiche wie für den Rest der Bevölkerung: vor dem Sport zum Arzt!

Dem Stress einfach davonlaufen! „Ich gehe in die Wälder und laufe, meditiere dabei, schalte ab und höre einfach den Vögeln zu“, erzählt Ingo Froböse. Alle ausdauersportlichen Aktivitäten haben eine psychisch entspannende Wirkung – wenn man nicht übertreibt. Der stets gleiche Bewegungsablauf beim Joggen führt Geist und Körper in eine Art Trance, bei der die Gedanken freien Lauf haben. Der Körper wird schon bei geringer Geschwindigkeit ausreichend gefordert, um den Stoff wechsel kräftig anzukurbeln. Stresshormone werden abgebaut und sämtliche Organe optimal mit Sauerstoff versorgt.

Laufen macht selig, denn der Körper schüttet Glückshormone aus, die sogenannten Endorphine. Wer regelmäßig joggt, senkt mittel- und langfristig seinen Ruhepuls. Daraus resultiert ein niedrigeres Erregungsniveau – optimal für Lehrer, die damit entspannt dem Abenteuer Schule begegnen können. Ein Rat vom Experten: „Man sollte keine Leistung mit dem Sport verbinden, sonst wird wieder ein Zwang daraus, der zusätzlich stresst.“ 45 bis 60 Minuten am Stück sollten Lehrer mindestens laufen, um einen echten Erholungseffekt zu erzielen. Wer joggen nicht mag, setzt sich aufs Rennrad oder schwimmt – das sind ebenfalls optimale Ausdauersportarten.

 (© Galina Barskaya / Fotolia.com)
(© Galina Barskaya / Fotolia.com)

Ich würde Lehrern immer zu Aktivitäten raten, bei denen man wieder Mensch oder Kind sein darf. Sich einfach mal gehen lassen“, sagt Froböse. Deshalb seien Spielsportarten wie Fußball, Volleyball oder Basketball für Lehrer ganz besonders geeignet. Lehrer haben in der Regel eine hohe Sozialkompetenz, und deswegen ist Individualsport wie Joggen oder Schwimmen nicht unbedingt empfehlenswert, „sondern Spiele, die sie gemeinsam im Kollegenkreis oder mit Freunden ausüben können. Spielen ist an sich nutzlos, aber genau das bringt Muße für die Seele der Lehrer“, sagt der Sportmediziner.

Bitte beachten: Es ist nur Sport!

Wer sich auf das Spielgeschehen konzentriert, blendet negative Gedanken aus. Der Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung fördert Körper und Geist. Kurze Sprints sorgen für anae robe Belastungen, die zur Regeneration führen. Bei Ballspielen wird die Sauerstoff zufuhr stark hochgefahren und der Stoff wechsel angeregt. Der Körper baut Testosteron ab und Aggressionen verschwinden. Entspannend seien auch auf dem Spielfeld durchlebte Emotionen, sagt Froböse. Es macht glücklich, ein Tor zu schießen oder einen Korb zu werfen. Aber bitte beachten: Es ist nur ein Spiel! Also nicht verbissen oder zu hart spielen und sich nicht vom Gegner provozieren lassen.

Nicht jeder fühlt sich im Fitnessstudio wohl. Es lohnt sich, Einrichtungen zu vergleichen, denn es gibt große Unterschiede, was Beratung, Ausstattung und Atmosphäre betrifft. An den Geräten können gezielt Muskelgruppen trainiert werden. Das ist manchen zu monoton. Alternativ können Kurse belegt werden: von der Rückenschule bis zum Powerradfahren, dem Spinning. Wer sich bewusst auspowert, ob in Kursen oder an den Geräten, reduziert Nervosität. Schon durch die Erschöpfung werden negative emotionale Einflüsse verringert. Froböse: „Wird der Körper hart rangenommen, kann er gar nicht anders, als danach zu entspannen.“ Aber nicht zu ehrgeizig werden – das verursacht wieder Stress.

Boxen – nicht um in den Ring zu steigen, sonder um fit zu bleiben

Es geht beim Boxtraining nicht darum, in den Ring zu steigen, sondern physisch und psychisch fit zu bleiben. In der Gruppe wird Ausdauer gestärkt und Reaktionsvermögen sowie Körperhaltung verbessert. „Wo kann Mann oder Frau sonst schon seine Aggressivität gesteuert loswerden?“, fragt Ingo Froböse und ergänzt: „Beim Boxtraining und anderen Kampfsportarten kontrolliert man sich, hat aber auch eine hohe körperliche Aktivität dabei.“

Doch Achtung: Beim Lernen bestimmter Bewegungsmuster, wie beispielsweise Karatetechniken, fallen Lehrer zurück in Lernprozesse. Sport sollte gerade für Pädagogen eine spielerische Komponente haben. „Ein Loslassen von allen Konventionen und Regularien, die sie sonst immer in der Schule haben.“

 (© Michael Siegmund / iStockphoto.com)
(© Michael Siegmund / iStockphoto.com)

Yoga ist nicht nur Körpertraining, sondern eine harmonische Verbindung von Atmung, Konzentration und Bewegungen. Während der Übungen stehen immer wieder einzelne Körperpartien im Mittelpunkt. Gleichzeitige Konzentration auf Körperhaltung, Atmung und bestimmte Muskelpartien führt zu innerer Entspannung.

Pilates, Tai-Chi und Qigong sind als meditative Sportarten gute Alternativen. „Man muss sich darauf einlassen können“, sagt Froböse, meint aber: „Ich fände es gut, wenn Lehrer Entspannungstechniken lernen. Entspannung ist immer ein aktiver Prozess. Das nennen wir psychophysische Regulation: Körperliche Aktivität wirkt sich unmittelbar auf die Psyche aus.“

Aus: Forum Schule 1/2010