Programm „Schule der Vielfalt“ – NRW-Fachberatungsstelle und Schulnetzwerk
Schulen sind Spiegelbilder der Gesellschaft – dementsprechend bunt sind auch Schulgesellschaften. Das Programm „Schule der Vielfalt“ greift das auf und unterstützt bei den Themen geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung.
[Schule NRW 12-25]
Lesbisch. Schwul. Bi. Trans. Es wäre schön, wenn diese Adjektive lediglich als selbstverständliche und sachlich gemeinte Bezeichnungen im Kontext von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt benutzt würden. Lehrkräfte sowie zum Beispiel Fachkräfte der Schulsozialarbeit und Schulleitungen wissen, dass dem nicht immer so ist. Schule ist Spiegelbild der Gesellschaft und zugleich gibt es einen Bildungsauftrag, der die Akzeptanz von Unterschieden bei Menschen fördern soll, auch was geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung betrifft.
Programme wie Schule der Vielfalt unterstützen Schulen in diesem Spannungsfeld, damit sie bei Diskriminierungen, beleidigenden Äußerungen und feindseligen Haltungen gegenüber LSBTIQ* (lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und queeren Menschen) kompetent etwas entgegensetzen können. Dabei arbeitet Schule der Vielfalt in Nordrhein-Westfalen in zwei Handlungsfeldern, zum einen mit der NRW-Fachberatungsstelle in der Beratung von Lehrkräften, Bildungsverantwortlichen und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Das zweite Handlungsfeld sind die Projektschulen des Schulnetzwerkes, die durch die Landeskoordination und Bezirkskoordinationen für Schule der Vielfalt unterstützt werden.
Was ist Schule der Vielfalt?
Schule der Vielfalt ist ein Antidiskriminierungsprogramm und Schulnetzwerk, das sich für Akzeptanz gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt einsetzt, unter anderem durch Projektschulen, Beratungs- und Vernetzungsstrukturen sowie Unterstützungsmaterialien. Auf Landesebene wird es in Nordrhein-Westfalen als Kooperationsprogramm zwischen dem Ministerium für Schule und Bildung NRW, rubicon e. V. und Rosa Strippe e. V. gemeinsam mit SCHLAU NRW durchgeführt und vom Ministerium für Schule und Bildung NRW gefördert. Zur aktuellen Projektphase seit dem 1. August 2023 wurden die Ressourcen für das Programm deutlich erhöht.
Mittlerweile ist Schule der Vielfalt ein bundesweit ausgerichtetes Antidiskriminierungsnetzwerk mit Projektschulen in 8 von 16 Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit 120 Projektschulen.
Queerfeindlichkeit an Schulen
Im Bereich der sexuellen und geschlechtlichen Selbstbestimmung hat sich in den letzten Jahren in Deutschland vieles verbessert. Und man kann zudem feststellen, dass das Problembewusstsein in Bezug auf Fragen der Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bi, trans*, inter* und queeren Menschen an Schulen wie in vielen Teilen in der Gesellschaft, ebenso bei Lehrkräften, gestiegen ist.
Zugleich spiegelt sich das rauere gesellschaftliche Klima auch gegenüber dieser Gruppe wider, wie die Lebenslagestudie „Queer durch NRW“ zeigt, die im April 2025 veröffentlicht wurde. Die Befragung unter mehr als 5.000 LSBTIQ*, 775 Angehörigen sowie über 5.000 Fachkräften – darunter eine Vielzahl Lehrkräfte – bildet sowohl Zuversicht als auch Sorgen ab. Mit Blick auf die Zukunft befürchten mehr als 80 Prozent der LSBTIQ* Befragten, dass sich ihre Situation verschlechtern wird. Sie sorgen sich vor einer zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung.
Auch laut einer europaweiten Umfrage nehmen die Angriffe auf LSBTIQ* zu (FRA 2024). Die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) in Wien hatte bereits 2019 queere Menschen befragt. Dort gaben 37 Prozent an, in den letzten zwölf Monaten verbal belästigt oder bedroht worden zu sein. In der im Mai 2024 veröffentlichten Umfrage sind es 54 Prozent. Laut der Studie sind die Umfrageergebnisse zum Bildungswesen besonders besorgniserregend. Während geschlechtliche und sexuelle Vielfalt heute in Schulen häufiger thematisiert wird und sich mehr betroffene junge Menschen von Lehrkräften und Mitschülerinnen und Mitschülern unterstützt fühlen als noch vor einigen Jahren, haben zugleich Herabwürdigungen gegen queere Lernende zugenommen. Zwei Drittel berichteten demnach von Mobbing, Beleidigungen oder Drohungen an ihren Schulen. Die Werte in der Gesamtbefragung liegen für Deutschland noch etwas schlechter als im EU-Durchschnitt.
Unterstützung durch Schule der Vielfalt
Anfragen bei der NRW-Fachberatungsstelle weisen darauf hin, dass in Schulen teilweise eine Unsicherheit geblieben ist, wie sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sachgerecht und altersangemessen thematisiert sowie bei Grenzüberschreitungen erfolgreich interveniert werden kann. Hier können konkret einsetzbare Materialien eine Unterstützung darstellen. Wir freuen uns, dass seit Sommer 2025 eine überarbeitete Handreichung von Schule der Vielfalt mit Unterrichts- und Projektbeispielen zur Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zur Verfügung steht. Eine weitere Unterstützung bietet die Broschüre „LSBTIQ* an Schulen in Nordrhein-Westfalen“ des Ministeriums für Schule und Bildung.
Wie kann eine Schule zu einer offiziellen „Schule der Vielfalt“ werden?
Schule der Vielfalt arbeitet zudem daran, weitere „offene Schulen“ als Projektschulen zu gewinnen, die sich deutlich gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen und für mehr Anerkennung einsetzen. Dabei haben diese Schulen, die öffentlich sichtbar das Projektschild „Come in“ anbringen und die Selbstverpflichtung zur Erfüllung der Qualitätsstandards von Schule der Vielfalt eingehen, Modellcharakter. Am Netzwerk teilnehmende Projektschulen behaupten nicht, sie seien eine Schule, an der es keine Diskriminierung zum Beispiel aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität oder weiterer Diversitätsmerkmale gebe. Vielmehr haben sie den Anspruch, sich mit diesen gesellschaftlich tief verwurzelten Problemen von Diskriminierungen bewusst, nachhaltig und professionell auseinanderzusetzen und sich für einen respektvollen Umgang und ein gutes Schulklima einzusetzen. So engagieren sich sichtbar viele SV-Schülerinnen und SV-Schüler zum Beispiel im „Pride-Month“ (Juni) oder am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT*) am 17. Mai für Akzeptanz und weisen auf LSBTIQ*-Themen hin.
Kurzum: Schule der Vielfalt lebt vom (Mit-) Machen. Die Initiative dazu kann von einzelnen Schülerinnen und Schüler, der SV, Eltern, Lehrkräften oder weiteren schulischen Fachkräften kommen. Um Projektschule zu werden, wird ein Beschluss der Schulkonferenz benötigt. In dem Beschluss wird auch den Qualitätsstandards als zukünftige Projektschule zugestimmt.
Autor: Frank G. Pohl, Leiter der NRW-Fachberatungsstelle für Schule der Vielfalt