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Unparteilichkeit von Schulen

Unparteilichkeit von Schulen

Schulen sind Orte der gesellschaftlich-politischen Bildung, der Erziehung, der Wertevermittlung und der Demokratiebildung. Es handelt sich dabei um einen grundsätzlichen, wesentlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag, der fächerübergreifend und kontinuierlich wahrgenommen wird. 

Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen können für Lehrkräfte an den Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen ein zusätzlicher Anlass sein, Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Fachunterrichts oder in schulischen Veranstaltungen eine vertiefte Auseinandersetzung, z.B. zu aktuellen gesellschaftspolitisch relevanten Themen, zu ermöglichen. Die daraus folgende Förderung der Demokratiebildung der Schülerschaft anhand eines politischen Diskurses ist ausdrücklich erwünscht. Es besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten durch (fächerübergreifende) Unterrichtsreihen, Workshops und politische Veranstaltungen – wie z.B. Podiumsdiskussionen – das Thema Wahlen in das didaktische Konzept des Unterrichts einzubeziehen. 

Für die politische Bildungsarbeit gelten stets und nicht nur während eines Wahlkampfes das Gebot staatlicher Neutralität und der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien.

Neutralitätsgebot an Schulen allgemein

1. Das Neutralitätsgebot ergibt sich aus § 2 Absatz 7 und 8 Schulgesetz NRW. Die schulgesetzlichen Regelungen sind Ausfluss des verfassungsrechtlichen Neutralitätsgebots, welches für Beamtinnen und Beamte und Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst auch im Rahmen des staatlichen Bildungsauftrags bei der politischen Bildungsarbeit an Schulen gilt.

Gleichwohl ist der Erziehungs- und Bildungsauftrag nicht wertneutral, sondern verlangt ein aktives Einstehen für die verfassungsmäßigen Grundwerte. 

Insofern darf das Neutralitätsgebot nicht mit politischer Indifferenz gleichgesetzt werden. Gemäß § 2 Absatz 6 Nummer 5 Schulgesetz NRW sollen die Schülerinnen und Schüler lernen, Menschen unterschiedlicher Herkunft vorurteilsfrei zu begegnen, die Werte der unterschiedlichen Kulturen kennenzulernen und zu reflektieren sowie für ein friedliches und diskriminierungsfreies Zusammenleben einzustehen. Des Weiteren sollen sie gemäß § 2 Absatz 6 Nummer 6 Schulgesetz NRW lernen, die grundlegenden Normen des Grundgesetzes und der Landesverfassung zu verstehen und für die Demokratie einzutreten.

Nach Artikel 7 der Landesverfassung sollen junge Menschen insbesondere erzogen werden zur Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln, im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen.

 

2. Im diskursiven Prozess sind darüber hinaus stets die Grundsätze des Beutelsbacher Konsenses zu berücksichtigen. Dieser fordert, dass Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern keine Meinungen aufzwingen dürfen, sondern deren Fähigkeit fördern sollen, sich eigenständig ein Urteil zu bilden und begründet zu vertreten. Kontroverse Themen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik müssen auch im Unterricht immer kontrovers dargestellt werden, sodass verschiedene Perspektiven ausgewogen berücksichtigt und diskutiert werden. Zudem muss der Lernende in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. Insbesondere ist gemäß § 2 Absatz 8 Satz 3 Schulgesetz NRW ein Verhalten unzulässig, welches bei Schülerinnen und Schülern oder den Eltern den Eindruck hervorruft, dass Lehrkräfte oder sonstiges Personal nach § 58 Schulgesetz NRW gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftreten.

 

3. Zur politischen Bildungsarbeit gehört es auch, gezielt extremistische Tendenzen und Positionen herauszuarbeiten. Verletzen einzelne Positionen oder Aussagen die Werte des Grundgesetzes, haben Lehrkräfte die Aufgabe, diesen verfassungswidrigen und menschenfeindlichen Aussagen – egal von wem in welchem Zusammenhang sie geäußert wurden – klar entgegenzutreten und diese kritisch einzuordnen. 

Nicht-schulische Veranstaltungen und Besuche von Politikern 

Das Ministerium befürwortet ausdrücklich politisches und gesellschaftliches Engagement von Lehrkräften sowie von Schülerinnen und Schülern bei nicht-schulischen Veranstaltungen, wie z.B. Diskussionsrunden oder Demonstrationen. Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler haben selbstverständlich das Recht, für ihre politischen Überzeugungen einzutreten, außerhalb der Schule Vereinigungen zu bilden oder ihnen beizutreten und sich für diese zu engagieren.

 

1. Organisieren Mitglieder der Schulgemeinde außerhalb der Unterrichtszeit ohne verpflichtende Teilnahme eine Veranstaltung, stellt dies regelmäßig keine schulische Veranstaltung dar. Die Verantwortung für die inhaltliche Ausgestaltung und die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegt ausschließlich beim Veranstalter und nicht bei der Schule. Dies gilt selbst dann, wenn die nicht-schulische Veranstaltung im Einvernehmen mit dem Schulträger am Ort Schule stattfindet.

Wirbt die Schule für die Teilnahme an einer solchen nicht-schulischen Veranstaltung, sind der Grundsatz der Unparteilichkeit sowie der Bildungs- und Erziehungsauftrag des § 2 Schulgesetz NRW zu beachten. Die Teilnahme erfolgt als Privatperson und ist freiwillig. 

 

2. Zudem haben Abgeordnete und Parteien das Recht politische Veranstaltungen durchzuführen und dazu beispielsweise auch Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler einzuladen. Aus Gründen der Neutralität dürfen allerdings die Schulleiterinnen und Schulleiter Werbematerial politischer Parteien oder Einladungen zu parteipolitischen Veranstaltungen nicht an das Lehrerkollegium, die Schülerinnen und Schüler oder die Eltern weiterleiten (vgl. § 56 Schulgesetz NRW; siehe auch §§ 2 Absatz 6, 57 Absatz 4 Satz 1 Schulgesetz NRW). 

 

3. Abgeordnete haben das Recht, Schulen zu besuchen, um sich vor Ort über die schulische Situation zu informieren und Gespräche mit Schulleiterinnen und Schulleitern zu führen, da diese die Schule nach außen vertreten. Die Schulleiterinnen und Schulleiter können zum Beispiel auch Auskünfte an die Presse geben, gegebenenfalls in Abstimmung mit der Schulaufsichtsbehörde und dem Schulträger (vgl. § 26 und § 27 Allgemeine Dienstordnung – BASS 21-02 Nr.4).

Schulische Veranstaltungen

Hinsichtlich der Auseinandersetzung mit parteipolitischen Positionen im Unterricht sowie in schulischen Veranstaltungen sind folgende Grundsätze zu beachten: 

Schulen können innerhalb des Unterrichts und während des Schulbetriebes zu politischen Veranstaltungen, wie z.B. Podiumsdiskussionen einladen, um der Schülerschaft die Argumente verschiedener Parteienvertreterinnen und -vertreter zu bestimmten politischen Themen vorzustellen und die Möglichkeit zu geben, mit Parteivertreterinnen und -vertretern und Kandidatinnen und Kandidaten persönlich zu diskutieren. Zu Podiumsdiskussionen als schulische Veranstaltungen dürfen dann nicht nur Vertreterinnen oder Vertreter einzelner Parteien eingeladen werden, sondern es muss stets das in der Gesellschaft relevante Meinungsspektrum parteipolitisch abgebildet werden. 

Für die Frage, ob eine Partei zum gesellschaftlich relevanten Meinungsspektrum zählt, ist unter anderem an den vorhergehenden Wahlerfolg der zuletzt in Deutschland stattgefundenen Wahl anzuknüpfen sowie an die Zeitdauer des Bestehens einer politischen Partei, ihrer Kontinuität, ihrer Mitgliederzahl und dem Umfang und Ausbau ihres Organisationsnetzes Es kann ebenso geboten sein, auf eine Gesamtschau der Ergebnisse der in den letzten Monaten durchgeführten Wahlumfragen abzustellen, um die gesellschaftliche Bedeutung einer Partei zu bestimmen. Damit gilt im Grundsatz, dass zumindest die Vertreterinnen oder Vertreter von Fraktionen der Regierungs- und Oppositionsparteien, die Kandidatinnen oder Kandidaten für die anstehende Wahl aufstellen, bei der Auswahl von möglichen Gästen potentiell zu berücksichtigen sind. Es besteht kein Anspruch jeder politischen Gruppierung auf Einladung. 

Vertreterinnen und Vertreter einer danach relevanten Partei müssen abweichend von den zuvor genannten Grundsätzen dann nicht eingeladen werden, wenn davon ausgegangen werden muss, dass ihr Auftreten den Schulfrieden konkret gefährdet. Die Erfüllung des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags nach Artikel 7 Absatz 1 Grundgesetz setzt voraus, dass der Schulfrieden gewahrt ist. Damit ist ein Zustand der Konfliktfreiheit und -bewältigung gemeint, der den ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf ermöglicht, damit der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag verwirklicht werden kann. Bestehen z.B. aufgrund der heterogenen Zusammensetzung der Schülerschaft bereits innerschulische Konflikte, die sich etwa aufgrund politischer, religiöser oder weltanschaulicher, insbesondere gegen die Menschenwürde oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete  Äußerungen der Vertretung einer Partei weiter verschärfen und die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags gefährden oder stören würden, sind im Sinne des Grundsatzes der praktischen Konkordanz das Neutralitätsgebot und der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien einerseits und der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag sowie die Wahrung des hierfür erforderlichen Schulfriedens andererseits in der Weise zum Ausgleich zu bringen, dass die Veranstaltung ohne Einladung an die den Schulfrieden gefährdende Parteivertretung unter Beteiligung des sonstigen gesellschaftlich relevanten Meinungsspektrums durchgeführt werden kann. Allein die Parteizugehörigkeit einer Person reicht für die Annahme einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens nicht aus. Vielmehr müssen substanzielle, tatsachenbasierte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es von den Vertreterinnen oder Vertretern zu extremistischen Aussagen im o.g. Sinne kommen wird. 

Sollten im Rahmen von Podiumsdiskussionen extremistische oder gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Aussagen – egal von wem – getroffen werden, ist diesen klar und entschieden entgegenzutreten. Wird durch den Verlauf einer Veranstaltung der Schulfrieden gefährdet, sind geeignete Maßnahmen, wie zum Beispiel der Abbruch der Veranstaltung, zu treffen.