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Zwei Männer sprechen miteinander, Blick über die Schulter des einen auf das Gesicht des anderen.

So gelingt ein Eltern-Lehrer-Gespräch

„Es geht um das Kind, seine Probleme und Bedürfnisse!“

Miteinander reden ist das eine, sich verstehen das andere. Ob ein Gespräch für die Beteiligten zufriedenstellend verläuft, hängt von vielen Faktoren ab, weiß Klaus Kuhlmann vom Kölner Zentrum für Schülerförderung, Bildungsberatung und Schulpsychologie aus seiner Erfahrung als Schulpsychologe.

Wieso Verständnis füreinander die Basis für ein gutes Miteinander ist, warum es wichtig ist, dass beide Elternteile zum Gespräch gehen, es aber problematisch ist, Lehrer zu Hause anzurufen, und wie Kommunikation zwischen Eltern und Lehrern besser gelingen kann, erklärt Klaus Kuhlmann im Interview. Kuhlmann war lange in der Familienberatung und im Schulpsychologischen Dienst der Stadt Köln tätig.

Von Anja Schimanke

Laut Bildungsbarometer sind 41 Prozent der Eltern unzufrieden mit dem Gespräch, das sie mit dem Lehrer geführt haben, weil es im Sande verläuft. Was läuft da schief?

Das hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Wichtig für das Gespräch ist, was beide Seiten von dem Gespräch erwarten. Während der Lehrer vielleicht denkt, dass das Gespräch dazu geführt wird, die momentane Situation des Kindes in der Schule zu verdeutlichen, erwarten die Eltern unter Umständen den ultimativen Rat des Fachmannes  ein Ansinnen, das dieser gar nicht erfüllen kann.

Warum können Lehrer keinen fundierten Rat geben?

Dazu müssten sie erstens, die Familiensituation kennen und die sich daraus ergebende Lernsituation des Kindes verstehen. Zweitens, müssten sie eine objektive Einschätzung der Möglichkeiten des Kindes haben und drittens, müssten sie aus diesem Verständnis heraus dann eine Beratung entwickeln. Angenommen Lehrer könnten dies alles leisten - das ist eigentlich die Arbeit eines Schulpsychologen dann bliebe immer noch die Frage offen, ob die Eltern bereit sind, den erhaltenen Rat als solchen zu akzeptieren, oder ob sie aus dem Gespräch kommen und die Einschätzung des Lehrers verwerfen, da dieser ja doch nur Vorurteile habe.

Wie kann man dem vorbeugen?

Wichtig ist: Was denkt der Lehrer von dem Kind, um das es geht, und was über die Eltern. Dasselbe gilt für die Eltern und ihre Einschätzung bezüglich des Kindes und des Lehrers. Wobei Letztere oft auf der Einschätzung des Kindes basiert. Und die ist natürlich wesentlich davon geprägt, ob das Kind den Lehrer mag und welche Noten es von ihm gibt. Diese und andere Einschätzungen der beiden Seiten werden fast nie ausgesprochen, schwingen aber als Grundlage des Gespräches mit und geben dadurch dem Gespräch seine spezifische Färbung.

Wie gelingt die Kommunikation zwischen Eltern und Lehrer?

Ein gutes Gespräch kommt zustande, wenn die Beziehung zwischen Eltern und Lehrern stimmt und sie sich gegenseitig respektieren. Auch sollten beide Gesprächspartner anerkennen, dass die andere Seite versucht, ihr bestes zu geben, auch wenn das zuweilen besser sein könnte. Beide Seiten sollten bereit sein, dem Gegenüber zuzuhören und keine Vorwürfe zu äußern. Gut ist auch, wenn auf beiden Seiten das Vertrauen besteht, das man sein Gegenüber nicht verletzen will. Schließlich sollte die gemeinsame Suche nach einer Lösung im Vordergrund stehen. Und: es sollte genug Zeit vorhanden sein, um Lösungen zu erarbeiten.

Wie lange sollten sich Eltern und Lehrer für ein Gespräch Zeit nehmen, um Probleme zu besprechen?

Ein Schulpsychologe würde sich trotz seiner Erfahrung für ein Gespräch zirka eine Stunde reservieren. Leider sind Lehrer-Eltern-Gespräche oft Gespräche zwischen Tür und Angel oder darauf angelegt, möglichst schnell zu einem Ergebnis zu kommen.

Meistens suchen Eltern das Gespräch mit dem Lehrer, um mit ihm über mangelnde Leistungsbereitschaft des Kindes zu sprechen, aber auch über Probleme mit der Lehrkraft selbst. Ist das sinnvoll?

Bei allen Problemen sollte es das Bedürfnis sein, den Kreis der Betroffenen so klein wie möglich zu halten. Das bedeutet, dass man zunächst mit dem Betroffenen selbst reden sollte. Wenn das nicht hilft, wäre der Klassenlehrer dran, dann der Vertrauenslehrer, dann eventuell der Stufenleiter und zuletzt die Schulleitung oder gar die Schulaufsicht. Das ist natürlich von Schulform zu Schulform unterschiedlich.

Einige Eltern gaben bei einer zepf-Studie an, dass sie das Gespräch als eher belastend, weniger konstruktiv und weniger vertrauensvoll empfanden. 

In manchen Gesprächen kann man je nach Atmosphäre alles sagen und in anderen gar nichts. Für Lehrer ist es in solchen Gesprächen oft schwierig, den Eltern nicht zu nahe zu treten! Steht es ihm zu, den Eltern zu unterstellen, dass sie ihr Kind falsch erziehen? Dass sie es zu sehr verwöhnen, zu fordernd oder zu streng sind? Sie würden gern ganz andere Dinge sagen, halten sich damit aber zurück. Das führt dann zu dem Gefühl, das kein Vertrauen geherrscht hat.

Wie reagiert man, falls das Gespräch anders verläuft als gewollt?

Wenn man diesen Eindruck hat, sollte man dies sofort ansprechen.

Meistens sind Eltern die treibende Kraft bei der Kontaktaufnahme und wählen den direkten Weg: Sie rufen den Lehrer zu Hause an.

Den Lehrer zu Hause anzurufen ist meist der schlechteste Weg. Viele Eltern meinen offensichtlich, dass Lehrer kein eigenes Familienleben haben und man deshalb jederzeit anrufen kann. Was wäre wohl, wenn man den Arzt oder Rechtsanwalt zu Hause anrufen würde?

Ein Drittel der Eltern meldet sich im Sekretariat bzw. beim Lehrer in der Schule.

Auch während der Schulzeit lassen sich die meisten Lehrer nicht gern stören. Telefonate, auch wenn sie kurz sind, führen dazu, dass sie zu spät in den Unterricht kommen oder noch nicht einmal Zeit zwischen zwei Stunden bleibt, um einen Schluck zu trinken. Solche Telefonate werden oft als Störung der eigenen Arbeit empfunden.

Ihr Vorschlag für eine telefonische Verabredung?

Eine Lösung könnte die Maßnahme sein, dass man für Telefonate, die die Kinder der eigenen Klasse betreffen, einen festen Termin hat, beispielsweise dienstags und/ oder donnerstags zwischen 17 und 18 Uhr. Allerdings ist das eine recht weitgehende Forderung. Stellen Sie sich vor, Sie müssten ein solches Angebot machen. Was würde das für die eigene Freizeit bedeuten? Hinzu kommt, dass es von Eltern sehr unterschiedlich eingeschätzt wird, welche Telefonate wirklich notwendig sind.

Wann raten Sie zu einem persönlichen Gespräch?

Generell würde ich sagen, dass ein persönliches Gespräch umso sinnvoller ist, je schwieriger das Problem ist. Die Frage, ob Telefonat oder persönliches Gespräch, hängt, meines Erachtens, weniger vom Thema oder Handlungsbedarf ab, sondern von den persönlichen Vorlieben der Eltern. Halte ich mich für jemanden, der sein Gegenüber beeindrucken kann? Bilde ich mir ein, den Lehrer positiv stimmen zu können? Finde ich "Gesichtspflege" wichtig? Oder muss ich bei einem Gespräch mein Gegenüber sehen, um schneller auf Gesichtsausdrücke bzw. Antworten reagieren zu können?…

Bis zum Zustandekommen des Gesprächs vergehen in der Regel zwischen vier bis sieben Tage. Woran liegt das?

Viele Lehrer, vor allem Lehrer in Korrekturfächern, sind zu bestimmten Zeiten durch ihre Arbeit völlig ausgebucht. Nahezu jedes Gespräch bedeutet dann Zeitverlust und zusätzlichen Stress. In einer solchen Hetze sind dann Gespräche auch oft sinnlos, wenn sie nicht sogar in einer gereizten Stimmung zu einer Verschlimmerung des Problems führen.

Wie schnell sollte es bei Schwierigkeiten in der Schule bzw. beim Lernen zu einem Gespräch mit dem Lehrer kommen?

Die meisten Probleme sind Langzeitprobleme und können deshalb auch mal eine Woche oder länger warten. Wenn es ein gravierendes und aktuelles Problem in der Schule gibt, dann wird auch die Schule bzw. der Lehrer Interesse an einem kurzfristigen Gespräch haben.

Manche Eltern gehen mit gemischten Gefühlen zum Gespräch. Haben Angst vor dem, was sie gesagt bekommen könnten, sind nervös und misstrauisch. Wieso?

Wenn Lehrer das Gespräch mit Eltern suchen, so geht es wohl meist darum, ihnen ein Fehlverhalten oder die mangelnde Leistungsbereitschaft des Kindes nahe zu bringen, um mit ihrer Hilfe eine Veränderung zu erreichen. Ein solcher Anspruch kann bei Eltern u. a. auf unangenehme Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit treffen. Vielleicht hat man auch ein schlechtes Gewissen wegen der wenigen Zeit, die der Beruf für die Familie lässt. Ein weiterer Grund kann sein, sich Autoritäten gegenüber klein und hilflos zu fühlen. Angst spielt ebenfalls eine Rolle, ob vor Auseinandersetzungen oder der Sorge, dass das Kind eventuell doch nicht so intelligent sein könnte, wie man es gerne hätte, oder dass das Gespräch zum Nachteil des Kindes führen könnte.

Sollte das Kind, um das es geht, beim Gespräch dabei sein?

Eine Anwesenheitspflicht für das Kind gibt es bei Disziplinarkonferenzen, aber nicht bei Einzelgesprächen, kann aber von den Gesprächspartnern gewünscht sein. Dies wäre dann ein anderes Gespräch. Wenn das Kind dabei ist, dann sollte es am Gespräch teilnehmen bzw. einbezogen werden und nicht nur dabeisitzen. Das kann für das Kind zwar unangenehm sein, zeigt aber auch, dass es ernst genommen wird. Außerdem sieht es, zu welchen Problemen die eigenen Handlungsweisen führen und lernt, zum eigenen Verhalten zu stehen. Ob dann allerdings die Eltern oder der Lehrer bereit sind, eigene Fehler einzugestehen, scheint fraglich.

Manchmal sind zwei Lehrer bei einem Gespräch anwesend, was es für den Elternteil nicht gerade einfacher macht.

Psychologisch ist eine solche Konstellation unklug. Eltern sind ja, wie gesagt, oft schon eingeschüchtert, wenn sie auf dem fremden Feld Schule agieren müssen. Dies wird natürlich dadurch verstärkt, wenn man einer Übermacht gegenübersteht.

Ist es sinnvoll, dass beide Elternteile beim Gespräch dabei sind?

Unbedingt. Auch ohne zwei gegenübersitzende Lehrer ist es immer sinnvoll, dass beide Elternteile zu einem solchen Gespräch gehen. Manchmal ist es schwierig, dem Partner ein Gespräch wiederzugeben. Hinzu kommt dann oft das Problem, das der Partner, der nicht in der Gesprächssituation war, viele gute Fragen hat: Warum hast du das nicht gefragt? Warum hast du dieses und jenes nicht gesagt? Außerdem ist es eine alte Weisheit, dass Zwei mehr hören als Einer.

Dass nicht der Sprecher, sondern der Hörer die Bedeutung einer Aussage bestimmt, haben Sie in Ihrem Artikel über Gesprächsprobleme thematisiert. Was bedeutet er in Bezug auf das Gespräch in der Schule?

Schon bei dem einfachen Begriff wie Tisch sieht jeder sofort seinen eigenen Tisch. Im Alltag reicht es meist auch aus, mit so unterschiedlichen Vorstellungen zu operieren und trotzdem noch von demselben zu reden. Je schwieriger ein Begriff oder gar eine Situation ist, desto wichtiger ist es, immer mal wieder zu verdeutlichen, was man meint. Man sollte ruhig zwischendurch immer mal wieder nachfragen, was der andere gehört hat. Am Ende des Gesprächs ist es hilfreich, wenn nochmals wiederholt wird, was man verstanden hat und was man aus dem Gespräch mitnehmen will.

Worauf sollten die Gesprächspartner noch achten, um sich gegenseitig richtig zu verstehen?

Grundlage eines guten Gesprächs ist vor allem, dass sie immer im Auge behalten: Hier geht es um das Kind und dessen Probleme, Bedürfnisse und Entwicklungsstand!

Tipps zum guten Gelingen eines Elternsprechtags
von Schulpsychologe Klaus Kuhlmann

Was können Eltern tun?

  • Sie sollten sich klar darüber werden, worum es ihnen genau geht.
  • Welches Ziel verfolgen sie mit dem Gespräch?
  • Den Lehrer respektieren - Konkrete Fragen vorbereiten.
  • Sich auf eine offene Lösungssuche einlassen.
  • Es für möglich halten, dass der Lehrer mein Kind auch gut kennt und manche Dinge vielleicht deutlicher sieht als man selbst.
  • Zu beachten, das ein Lehrer kein Schulpsychologe ist und eigentlich etwas anderes gelernt hat. Er hat nicht gelernt, wie man schulische Probleme löst, hat darin aber zuweilen Erfahrung gesammelt.
  • Keine Vorwürfe äußern, denn die helfen nicht weiter.

 

Was können Lehrkräfte tun?

  • Sich Zeit nehmen.
  • Das Problem, das Eltern zu ihnen führt, verstehen wollen.
  • Verständnis aufbringen, wenn Eltern Schule skeptisch gegenüber stehen.
  • Den Eltern zugestehen, dass sie versuchen, in der Erziehung ihr bestes zu tun.
  • Die Angst und die Kränkung der Eltern verstehen und akzeptieren, wenn die Schule zu eventuell auch gesellschaftlichen Problemen führt. Gute Schulleistungen der Kinder sind oft ein Muss. Alles andere wird von den Eltern als sehr peinlich empfunden und, wenn es geht, verschwiegen.
  • Nicht als Allwissender auftreten, der für alles eine Lösung hat!