
Gelebte Schule, mitten in der Gesellschaft
Spannender Unterricht, neue Lehrmethoden, Ausstrahlung, respektvolle Kommunikation: Für ihre herausragenden Leistungen gewannen zwei Lehrer sowie ein Team aus drei Lehrkräften aus Nordrhein-Westfalen vor einigen Wochen den Deutschen Lehrkräftepreis. Magnus Osterkamp, Oliver Ebbing, Monika Cremer, Martin Lorek und Matthias Nowroth sind eine Inspiration für ihre Schülerinnen und Schüler. Nun empfing Schulministerin Dorothee Feller die Lehrerin und die Lehrer - und zeigt sich begeistert von deren Auftreten, Einsatz und Vorbildfunktion für die Kinder und Jugendlichen.
In Frechen können es die Menschen einmal pro Woche kaum erwarten, den Schülerinnen und Schülern der Paul-Kraemer-Schule zu begegnen. Die Jugendlichen kommen im „Foodtruck“. Diesen parken sie immer an einer anderen Stelle in der Stadt - mit dampfenden Köstlichkeiten in den Kochbehältern und großer Freude in ihren Gesichtern. Gemeinsam mit ihren Lehrkräften Monika Cremer, Martin Lorek und Matthias Nowroth organisieren die Nachwuchsgastronomen alles rund um ihr kulinarisches Fahrzeug: Planung, Einkauf, Zubereitung der Speisen, Verkauf, Abrechnung. So lernen die jungen Menschen, im Team zu arbeiten. So setzen sie sich Ziele und halten gemeinsam durch, um diese zu verwirklichen. Und so erfahren sie, wie befriedigend es ist, mit anderen Menschen zu kommunizieren und Wertschätzung für das eigene Tun zu erhalten.
Der Frechener Foodtruck von der Paul-Kraemer-Förderschule mit Schwerpunkt Geistige Entwicklung begeistert nicht nur die Bewohner der Stadt, sondern auch die Jury des Deutschen Lehrkräftepreises. Das Gremium aus Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik, Schule und Medien zeichnete das rollende Restaurant aus dem Rheinland mit dem Sonderpreis „Umwelt und Nachhaltigkeit“ in der Kategorie „Unterricht innovativ“ aus. Die Lehrerin und die beiden Lehrer aus der Nähe von Köln sind Teil einer illustren Gesellschaft in unserem Bundesland. Insgesamt gingen im Rahmen des Deutschen Lehrkräftepreises, der von der Heraeus Bildungsstiftung und dem Deutschen Philologenverband getragen und jährlich organisiert wird, drei Preise an fünf nordrhein-westfälische Lehrkräfte. Neben Monika Cremer, Martin Lorek und Matthias Nowroth sind dies Oliver Ebbing aus Ochtrup und Magnus Osterkamp aus Borken.
Von der Freude, mit der sie ihre Schulklassen anstecken, konnte sich jetzt Schulministerin Dorothee Feller persönlich überzeugen. Im Gespräch mit der Preisträgerin und den Preisträgern im Ministerium erfuhr sie in lebhaften Schilderungen mehr über deren Motivationen und Ideen. Mit Monika Cremer, Martin Lorek und Matthias Nowroth kam Schulleiterin Liane Niehaus-Busch nach Düsseldorf. Oliver Ebbing erschien zusammen mit Schulleiter Olaf Reitenbach. Schulleiterin Birgit Prangenberg begleitete Magnus Osterkamp.
„Mit ihrer Art, ihrer Nahbarkeit und ihren großen didaktischen Fähigkeiten machen die ausgezeichneten Lehrerinnen und Lehrer ihre Schulen zu Lern- und Lebensorten, an denen Kinder und Jugendliche über sich hinauswachsen können. Wie sie leisten viele Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen jeden Tag Großartiges an unseren Schulen.“
Schulministerin Dorothee Feller
„Es war eine Freude, diese herausragenden Lehrkräfte kennenlernen zu dürfen, die nicht nur neue Impulse in den Unterricht tragen, sondern bei ihren Schülerinnen und Schülern durch ihr Engagement, ihre stets offenen Ohren und ihr Verständnis für die nicht selten herausfordernden Situationen des Erwachsenwerdens vor allem auch großes Vertrauen genießen“, sagt die Ministerin. „Mit ihrer Art, ihrer Nahbarkeit und ihren großen didaktischen Fähigkeiten machen Frau Cremer, Herr Lorek, Herr Nowroth, Herr Osterkamp und Herr Ebbing ihre Schulen zu Lern- und Lebensorten, an denen Kinder und Jugendliche über sich hinauswachsen können. Und die fünf Ausgezeichneten sind nicht allein: Wie sie leisten viele Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen jeden Tag Großartiges an unseren Schulen.“
Über die aufregende Zeit nach der Nominierung für den Deutschen Lehrkräftepreis berichtete beim Treffen im Ministerium unter anderem Oliver Ebbing. Der 37-Jährige unterrichtet in seiner Stadt am Städtischen Gymnasium Sozialwissenschaften. Seine Schülerinnen und Schüler beschreiben ihn als jemanden, der die Ehrung in der Kategorie „Ausgezeichnete Lehrkräfte“ zu „100 Prozent verdient“. Der Nachwuchs schwärmt: „Seine Leidenschaft für das Fach Sozialwissenschaften ist ansteckend – jede Unterrichtsstunde war ein spannender Ausflug in aktuelle politische Debatten. Er hat gezeigt, dass jede Meinung wertvoll ist und wir durch Diskussion und Dialog wachsen können.“
Dass er so viele positive Worte zu hören bekommt, freut Oliver Ebbing natürlich. Bescheiden und demütig möchte er diesem Urteil allerdings kein Selbstlob hinzufügen. Wenn Ebbing von seinem Unterricht erzählt, kommt er schnell auf den ausgiebigen Einsatz digitaler Tools. Er nutzt verschiedene Softwareanwendungen, um Debatten in den Unterrichtsstunden mit Visualisierungen zu begleiten. Die Schülerinnen und Schüler können mit Hilfe von QR-Codes auf die Programme zugreifen und sehen dann beispielsweise auf ihren Tablets, wie Positionen und Haltungen auf einer Argumentationswippe rauf und runter federn und letztlich nach Stichhaltigkeit gewichtet werden. Auch Argumentationsketten bilden sich regelmäßig vor den Augen der jungen Menschen – ausdrucksstarke bildliche Belege dafür, dass sich Argumente entwickeln können und ihr Wert sich nicht immer unmittelbar erschließt. „So kann es auch schon mal sein, dass mehrere Argumente richtig sind“, sagt Ebbing. Ihm ist es wichtig, dass sich seine Schülerinnen und Schüler immer auch mit aktuellem Geschehen und kontroversen Themen auseinandersetzen, „und ich bin sehr stolz auf sie, dass sie sich trauen, sich in Diskussionen zu messen und so vieles reflektieren“. Mit seinen digitalen Helfern bemüht er sich, in Debatten über die Schuldenbremse, den Spitzensteuersatz oder Protektionismus immer neue Spannungs- und Reizpunkte zu setzen und seine Schülerinnen und Schüler „auf Augenhöhe“ zu mündigen Menschen reifen zu lassen. „Das gelingt mir mal mehr, mal weniger“, sagt Ebbing. Glaubt man seinen Schülerinnen und Schülern, dann überwiegt in seinem Fall das Mehr das Weniger um ein Vielfaches.
Das ist auch bei Magnus Osterkamp der Fall, einem weiteren Lehrer, der sich das Prädikat „Ausgezeichnete Lehrkraft“ anheften darf. Osterkamp ist Lehrer für Evangelische Religion und Französisch am Gymnasium Remigianum und der Julia-Koppers-Gesamtschule in Borken. Er sei „eine total lebensfrohe Person“, der jede Schülerin und jeder Schüler am Herzen liege, betonen Kinder und Jugendliche, die ihn als Lehrer kennen. „Er sorgt durch eine Vielzahl an Projekten für eine persönliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler und fördert ihr Verständnis für wichtige Werte.“
Das macht er mit großem rhetorischem Geschick, jeder Menge Esprit und häufig schönen Überraschungseffekten im Unterricht. Osterkamp arbeitete früher beim Radio - bei 1Live, Radio Leverkusen und dem Kölner Domradio. Im Jahr 2015 entschied er sich, das Angebot eines Volontariats bei einem Sender abzulehnen und Lehrer zu werden, „da ich beim Radio das Gefühl hatte, dass sich Gedanken versenden, während den Schülerinnen und Schülern – beispielsweise nach der Auseinandersetzung mit einem Text – wichtige Gedanken erhalten bleiben und sie in ihrer Entwicklung formen.“
Es gibt einen weiteren Grund, warum der 38-Jährige seinerzeit den Beruf wechselte: den herzlichen Empfang, den er von der Schulgemeinde bekam. Osterkamp bekennt sich vor den Kindern und Jugendlichen offen zu seiner Homosexualität, und als er nach seinem Referendariat zum Start am Bergisch-Gladbacher Otto-Hahn-Gymnasium den Schulleiter fragte, ob dieser transparente Umgang für ihn ein Problem sei, antwortete dieser: „Die Schülerinnen und Schüler wissen doch auch, dass ich mit meiner Frau und meinen zwei Kindern zusammenlebe. Warum sollten sie dann nicht erfahren, wie Sie leben?“ Von da an war Osterkamp auch mental komplett in seiner neuen Funktion angekommen.
Mittlerweile lebt er mit seinem Ehemann und seinem Sohn im Münsterland, ist dort jeweils mit einer halben Stelle an den beiden Schulen tätig. Zu seinen Schülerinnen und Schülern hat er ein besonderes Verhältnis. „Wahrscheinlich auch, weil ich ihnen immer optimistisch, gut gelaunt und authentisch begegne“, meint Osterkamp, „schließlich vertrauen uns die Eltern das Wichtigste an, was sie haben: ihre Kinder. Diesem Vertrauen möchte ich entsprechen.“ Vor allem möchte er, dass die Kinder und Jugendlichen den Mut haben, mit ihm auch über sensible Themen zu sprechen, wenn sie das wollen. Zudem sollen bei ihm stets Gruppen Gehör finden, die in der Gesellschaft oft als Minderheit abqualifiziert werden. Dafür hat er eine Diversitäts-AG gegründet.
Den eigenen Wert als Mensch erkennen, als Gemeinschaft Positives bewirken, zusammen mutig sein und auch mal Rückschläge aushalten.
Während der Corona-Pandemie erstellte er gemeinsam mit dem Kölner Schulseelsorger Michele Lionetti einen Podcast, „einfach weil wir zum Ausdruck bringen wollten, dass es uns so dreckig ging wie allen anderen auch. Wir hatten jedes Bananenbrot gebacken und jeden Balkon bepflanzt und benötigten – wie unsere Schülerinnen und Schüler – dringend wieder Kontakte und Gespräche“. Es dauerte nicht lange, dann kamen bei den beiden auch Kolleginnen und Kollegen, Eltern und Schülerinnen und Schüler zu Wort. Die Kinder und Jugendlichen bauten die Jingles und produzierten die Podcast-Folgen, alle packten mit an. Selbst aus dem Ausland wird Osterkamp heute noch auf dieses außergewöhnliche Internetformat angesprochen. Insgesamt, so sagt er, genieße er jeden Tag im Schuldienst: „Ich bin jetzt seit 10 Jahren Lehrkraft – und ich bin eine sehr glückliche Lehrkraft.“
Den eigenen Wert als Mensch erkennen, als Gemeinschaft Positives bewirken, zusammen mutig sein und auch mal Rückschläge aushalten – das sind Eigenschaften und Erfahrungen, welche auch die Lehrkräfte aus Frechen ihren Schülerinnen und Schülern im Foodtruck mit auf die Reise in ihr weiteres Leben mitgeben wollen. Auch sie berichteten Ministerin Feller von ihrer Motivation, sich in besonderer Weise für ihre Schülerinnen und Schüler einzusetzen. Ihr Projekt stärkt bei den jungen Menschen nicht nur das Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, es hilft auch bei der beruflichen Orientierung. Einige Jugendliche der Paul-Kraemer-Schule haben bereits Praktikumsplätze in der Gastronomie gefunden. Die Betriebe, in denen die jungen Menschen sich nun tummeln, haben großes Glück, denn die Foodtrucker bringen nicht nur großes Wissen im Umgang mit natürlichen Produkten, sondern jede Menge Enthusiasmus mit.
„Der Food Truck ist ein fester Bestandteil unseres Umgangs mit unseren Schülerinnen und Schülern auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben“, erklärt Schulleiterin Liane Niehaus-Busch, „er ist auch Ausdruck einer gelebten Schule, denn unsere Schülerinnen und Schüler sind gesellschaftlich integriert und zeigen dort ihre Kompetenzen.“ „Gerade auch dieses Engagement in Frechen zeigt: Es lohnt sich nicht nur für die Schulzeit, wenn Kinder und Jugendliche in besonderer Weise und mit motivierender Unterstützung gefördert werden“, betont Ministerin Feller, „solche Aktivitäten formen die jungen Menschen, geben ihnen Selbstsicherheit für das schulische und das soziale Leben und öffnen auch Türen für die Zeit nach der Schule – ganz im Sinne des Gedankens, dass die Schule auch auf das Leben vorbereiten kann und soll.“