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Nachgefragt - Der MSB Podcast - Fit für mehr

Nachgefragt - Der MSB Podcast - Fit für mehr

Grafische Darstellung eines Mikrofons, daneben der Schriftzug "Nachgefragt - Der MSB Podcast"
Audio
15:23 Minuten
12. Juni 2025

Der Erlass "Fit für Mehr“ schafft bessere Möglichkeiten der Sprachförderung für geflüchtete Jugendliche, bevor sie in einen Bildungsgang gehen, der auf einen Schulabschluss vorbereitet. Über die Einzelheiten des Angebots, das den Bildungsangeboten des Berufskollegs vorgelagert ist, sprechen Barbara Kättnis und Stefan Nüchter, beide kommen aus Referat 313, Berufsschule und einjährige Berufsfachschule, Zusammenarbeit mit den Kirchen in Berufskollegs, Inklusion in der Beruflichen Bildung.

Podcast 12 – Fit für mehr

Aufnahme am 22. Mai 2025  im Ministerium für Schule und Bildung NRW

Moderator: Ralf Dolgner, Referatsleiter Referat 126, Amtsblatt, Öffentlichkeitsarbeit

Interviewpartnerin: Barbara Kättnis, Referatsleiterin Referat 313, Berufsschule (Ausbildungsvorbereitung) und einjährige Berufsfachschule (Schulabschlüsse der Sekundarstufe I), Zusammenarbeit mit den Kirchen in Berufskollegs, Inklusion in der Beruflichen Bildung

Interviewpartner: Stefan Nüchter, Referent im Referat 313
 

Herr Dolgner: 
Herzlich Willkommen zu unserem heutigen Podcast, in dem wir über Änderungen zur Beschulung von geflüchteten Schülerinnen und Schülern am Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen sprechen. Mein Name ist Ralf Dolgner aus dem Referat für das Amtsblatt, die BASS und die Öffentlichkeitsarbeit hier im Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen. Ich freue mich, heute die Kollegin Barbara Kättnis, Referatsleiterin des Referates 313 und den Kollegen Stefan Nüchter, Referent in eben diesem Referat hier begrüßen zu dürfen. Frau Kättnis und Herr Nüchter sind u. a. verantwortlich für die Beschulung von geflüchteten Jugendlichen am Berufskolleg, am BK. Hallo. 

Barbara Kättnis:
Hallo Herr Dolgner. Vielen Dank für die Einladung.

Stefan Nüchter: 
Ja, ich freue mich hier zu sein. Danke.

Herr Dolgner: 
Herr Nüchter, wie viele junge Menschen nutzen denn überhaupt in diesem Schuljahr die Sprachförderklassen des Berufskollegs?

Herr Nüchter: 
Ja, also wir haben am Berufskolleg als Sprachförderklassen ja zum einen das Bildungsangebot Fit für mehr, auch abgekürzt FFM, und zum anderen die Internationalen Förderklassen. Hier muss man beachten, dass beide Sprachförderangebote Jugendliche und junge Erwachsene auch unterjährig aufnehmen, die Zahl ist also im laufenden Schuljahr dynamisch. Aber zum Schuljahresbeginn haben wir laut den Amtlichen Schuldaten im Bildungsangebot Fit für mehr ca. 1.400 Schülerinnen und Schüler gehabt, und in der Internationalen Förderklasse hatten wir etwa 14.200 Jugendliche.

Herr Dolgner:
Unser Schulministerium hat im April eine Änderung in der Beschulung für geflüchtete Jugendliche ab 16 Jahren im Bildungsangebot Fit für mehr am Berufskolleg vorgenommen. Frau Kättnis, wie kommt es denn zu dieser Erlassänderung?

Frau Kättnis: 
Ja, wir haben den Erlass mit dem etwas längeren Titel „Besondere Bestimmungen für den Unterricht für geflüchtete Jugendliche im Alter von 16 bis 25 Jahren in Klassen des Berufskollegs (Fit für Mehr)“ neu gefasst. Der Hintergrund ist der, dass wir derzeit in Nordrhein-Westfalen viele Jugendliche ab 16 Jahren am Berufskolleg aufnehmen, die im lateinischen Schriftsystem nur gering alphabetisiert sind oder auch aufgrund leider langanhaltender Kriegszustände in manchen Ländern nur eine geringe schulische Vorbildung haben. Für diese Jugendlichen möchten wir bessere Möglichkeiten der Sprachförderung schaffen, bevor sie in einen Bildungsgang gehen, der auf einen Schulabschluss vorbereitet. Sie sollen gute Voraussetzungen haben, um sich in unsere demokratische Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Herr Dolgner: 
Also, hab ich das richtig verstanden: Geflüchtete Jugendliche gehen in Bildungsgänge, die sie direkt auf einen Schulabschluss vorbereiten?

Herr Nüchter:
Ja, es gibt am Berufskolleg ja die sogenannten Internationalen Förderklassen, die werden abgekürzt IFK. Und die Internationalen Förderklassen werden am Berufskolleg speziell in Form einer Sprachförderklasse mit beruflicher Ausrichtung angeboten. Sie gehören zum regulären Bildungsgang der Ausbildungsvorbereitung Vollzeit am Berufskolleg. Und hier gelten dann entsprechend auch die Bildungspläne des Bildungsganges.
Dolgner:
Also die Lehrpläne quasi.

Herr Nüchter:
Genau. Bei uns heißt es Bildungspläne. Die IFK hat auch die Stundentafel dieses Bildungsganges, die ist aber entsprechend flexibilisiert worden, sodass man eine erhöhte Zahl an Unterrichtsstunden zu Beginn des Schuljahres im Fach Deutsch/Kommunikation einrichten kann. Auch der Umfang des Differenzierungsbereichs in der Stundentafel mit 40 bis zu 240 Unterrichtsstunden spiegelt weitere Flexibilisierungsmöglichkeiten zur Erstförderung wider. Und der Erwerb des Ersten Schulabschlusses ist entsprechend des Bildungsganges möglich. Es gibt sogar eine Wiederholungsoption.

Herr Dolgner: 
Frau Kättnis, das klingt doch eigentlich schon nach einer flexiblen Möglichkeit der Sprachförderung, zumal es sich nicht nur um Schülerinnen und Schüler z. B. der 5. oder 6. Klasse handelt, sondern um Jugendliche, die ja dann ziemlich zügig auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen.

Frau Kättnis: 
Das stimmt. Allerdings verfügen trotz der verstärkten Deutschförderung noch nicht alle geflüchteten Jugendlichen am Ende des Schuljahres über die erforderlichen Sprachkenntnisse, um einen Ersten Schulabschluss erwerben zu können. Wir haben in den Internationalen Förderklassen, was den Sprachstand und auch das Alter betrifft, eine sehr heterogene Schülerschaft. So haben wir auf der einen Seite beispielsweise eine 17-jährige Schülerin, die eine hervorragende Schulbildung in ihrem Herkunftsland genießen durfte und der in Anführungsstrichen „nur“ die Sprachkenntnisse fehlen, um einen Bildungsgang erfolgreich zu absolvieren. Auf der anderen Seite haben wir einen 18-jährigen geflüchteten Schüler mit einer geringen schulischen Vorbildung. Beide sitzen in einer Klasse. Von den Bezirksregierungen wird berichtet, dass aufgrund der heterogenen schulischen Vorbildung und Sprachkenntnisse der geflüchteten Jugendlichen teils sogar die zwei Jahre Schulbesuch in der IFK nicht ausreichen, um die Schülerinnen und Schüler zum Ersten Schulabschluss zu führen.

Herr Dolgner:
Also besteht demnach dringender Bedarf für ein Angebot, in dem noch intensiver grundlegende Kenntnisse im Lesen und Schreiben vermittelt werden oder, Herr Nüchter?

Herr Nüchter: 
Ja, richtig, Herr Dolgner. Denn auch wenn eine Wiederholungsoption besteht, gehört ja die Internationale Förderklasse zu der auf ein Jahr angelegten Ausbildungsvorbereitung, wie wir das gerade schon erklärt haben, und damit in die abschlussbezogene Systematik des Berufskollegs. Und hier greift jetzt die Neufassung des Erlasses zum Bildungsangebot Fit für mehr. Das Schulministerium in Nordrhein-Westfalen stärkt das Angebot für die Zielgruppe der schulpflichtigen geflüchteten Menschen, die eine besonders intensive Sprachförderung benötigen, sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch auf das individuelle Sprachniveau bezogen.

Herr Dolgner: 
Was heißt das denn konkret, Frau Kättnis?

Frau Kättnis: 
Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren, die zu Beginn des Schuljahres kommen und über keine grundlegenden Kenntnisse im Lesen und Schreiben verfügen oder nicht im lateinischen Schriftsystem alphabetisiert sind oder keine oder nur eine geringe schulische Vorbildung mitbringen, können nun zunächst in das Bildungsangebot FFM, also Fit für mehr, aufgenommen werden statt sofort einer IFK zugewiesen zu werden. Diese Jugendlichen können in FFM abhängig vom Zeitpunkt des Eintritts für ein Schuljahr, maximal aber mit Ablauf des folgenden Schuljahres mit einer noch flexibleren Stundentafel als bisher gefördert werden.

Herr Dolgner: 
Gibt es da irgendeine Frist einzuhalten? Was muss da beachtet werden?

Frau Kättnis:
Ganz genau. Stichtag für die Option der Beschulung über ein Jahr hinaus in FFM ist der Beginn des zweiten Quartals eines Schuljahres, also der 1. November. Das heißt, wer bis zum 31. Oktober in FFM aufgenommen wird, kann bis zum Ende des laufenden Schuljahres beschult werden und wer danach kommt, kann maximal bis zu eindreiviertel Jahren in FFM gefördert werden.

Herr Dolgner: 
Okay, alles klar. Und wie sieht denn diese flexiblere Stundentafel genau aus?

Frau Kättnis: 
Statt eine Spannbreite von 12 bis 14 Stunden anzubieten, können nun 15 bis 17 Stunden Deutsch/Kommunikation unterrichtet werden. Die erhöhte Stundentafel ermöglicht einen Fokus auf den deutschen Spracherwerb, sodass schnellere Lernfortschritte erzielt werden können.

Herr Dolgner: 
Jetzt ist man ja nicht per se als Deutschlehrkraft gleich Deutsch als Zweitsprachelehrkraft. Das ist ja ein Unterschied. Wie werden diese Lehrkräfte denn unterstützt, Herr Nüchter?

Herr Nüchter:
Ja, um eine umfassende Weiterentwicklung der Unterrichtskonzepte zur individuellen Sprachbildung in den entsprechenden Kompetenzbereichen zu erreichen, werden die Lehrkräfte systematisch unterstützt. In regelmäßigen Abständen, alle zwei Jahre, werden in unseren Bereichen Sprachtagungen angeboten. Dieses Jahr zum Beispiel findet diese in digitaler Form wieder statt. Sie wird von der Bezirksregierung Detmold federführend ausgerichtet. Das wird im November sein. Die bei der Sprachtagung vorgestellten Konzepte, Unterrichtsbeispiele und Methoden werden dann entsprechend auf der Internetseite www.berufsbildung.nrw.de veröffentlicht. Dem Ministerium für Schule und Bildung in Nordrhein-Westfalen ist es ein besonderes Anliegen, dass die Lehrkräfte bei diesen Sprachtagungen auch fach- und bildungsgangspezifische Hinweise für den Unterricht und für didaktisch-methodische Umsetzungen der Sprachförderung mitnehmen. Weitere Unterstützungsangebote werden auch durch landesweite Fortbildungen zur Sprachförderung und auch Fortbildungsangebote im Rahmen der Reihe Heterogenität am Berufskolleg zum Beispiel bei den Bezirksregierungen gegeben. Ja, es werden aktuell auch Unterrichtsmaterialien zur Verbindung von Sach- und Sprachlernen entwickelt.

Herr Dolgner:
Wer entscheidet denn überhaupt, ob die geflüchteten schulpflichtigen Schülerinnen und Schüler erst in das Bildungsangebot Fit für mehr oder in die Internationale Förderklasse aufgenommen werden, Frau Kättnis?

Frau Kättnis:
Das machen die Berufskollegs vor Ort. Die Jugendlichen werden ja den Schulen nach der Seiteneinstiegsberatung, zumeist durchgeführt von den Kommunalen Integrationszentren, über die untere Schulaufsicht zugeteilt. Das Berufskolleg kann nun entscheiden, ob sie das Bildungsangebot Fit für mehr für eine intensive sprachliche Erstförderung vorschalten will. In den FFM-Klassen besteht – je nach regionaler Gegebenheit, Organisation und Angebot von Alphabetisierungsmaßnahmen des Schulträgers vor Ort – die Möglichkeit, eine schulübergreifende Organisationsform zu wählen. Damit kann grundsätzlich flexibel auf die Situation von Geflüchteten vor Ort reagiert werden.

Herr Dolgner: 
Und wie lange können die Jugendlichen denn in diesen vorgelagerten Bildungsangeboten überhaupt gefördert werden?

Herr Nüchter:
Also erstmal grundsätzlich ein Jahr. Aber wenn schulpflichtig geflüchtete Jugendliche im laufenden Schuljahr in das Bildungsangebot gekommen sind, dann können diese Jugendlichen eben bis zum Ende des darauffolgenden Schuljahres verbleiben, damit ihnen dann auch entsprechend kein Nachteil entsteht.

Herr Dolgner: 
So, und wenn nun jemand in Fit für mehr dabei ist und während dieser Maßnahme volljährig wird, was dann?

Herr Nüchter:
Dann haben diese volljährigen Schülerinnen und Schüler natürlich weiterhin die Möglichkeit, danach in die Internationale Förderklasse zu gehen, die wie die Ausbildungsvorbereitung auf ein Schuljahr angelegt ist mit Wiederholungsoption, wenn der Schulabschluss nach einem Schuljahr nicht erreicht werden konnte.

Herr Dolgner: 
Mal kurz überschlagen: Kommt man dann auf maximal 3,5 Jahre Förderung in diesen Sprachförderklassen des Berufskollegs?

Herr Nüchter: 
Ja, genau. Trotz der grundsätzlichen Möglichkeit, bis zu höchstens eindreiviertel Schuljahren in Fit für mehr gefördert zu werden, besteht die Option, auch früher in die Internationale Förderklasse zu wechseln, wenn zu erwarten ist, dass die Schülerinnen und Schüler dem Unterricht in der IFK dann auch folgen können, um eine größere Durchlässigkeit der Bildungsentwicklung damit zu erreichen. Das bewirkt letztendlich, dass wir eine geringere Heterogenität in den Klassen haben und damit ja auch unsere Lehrkräfte entlasten.

Herr Dolgner: 
Frau Kättnis, der alte Erlass Fit für mehr sah ja auch vor, dass junge Menschen, die nicht mehr der Schulplicht unterliegen, in das Bildungsangebot aufgenommen werden können. Das geht ja jetzt nicht mehr. Warum?

Frau Kättnis:
Das ist richtig. Nicht mehr schulpflichtige Jugendliche, die geflüchtet sind, können andere Angebote in Anspruch nehmen, die es ihnen auch ermöglichen, allgemeine Schulabschlüsse anzustreben, wenn sie diese noch nicht haben. Gute Möglichkeiten hierfür bietet beispielsweise das Weiterbildungskolleg in Nordrhein-Westfalen. Durch die Flexibilisierung der Aufnahmebedingungen am Weiterbildungskolleg seit dem 17.12.2024 wird die Beschulungsmöglichkeit am Weiterbildungskolleg für weitere Zielgruppen geöffnet. Die Schulleitung dort entscheidet, ob auf eine mindestens zweijährige Berufstätigkeit verzichtet werden kann. Nicht mehr schulpflichtige junge Erwachsene können als Studierende am Weiterbildungskolleg im Gegensatz zur Beschulung in FFM dort einen Schulabschluss erwerben. Nicht mehr schulpflichtige Jugendliche können sich darüber hinaus generell bei der Bundesagentur für Arbeit beraten lassen, da sie dort weitere Anschlussperspektiven aufgezeigt bekommen. So können sie beispielsweise in den regulären Integrationskursen die erforderlichen Sprachkenntnisse erwerben. Zudem können sie zum Beispiel bei Teilnahme an der Maßnahme Förderzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Bildungsgang Ausbildungsvorbereitung Teilzeit beschult werden und dort einen Schulabschluss erwerben. Dies löst eine bestehende nicht stringente Parallelstruktur auf und sorgt damit für Rechtsklarheit und Entbürokratisierung.

Herr Dolgner:
Ja, und wie schließt sich jetzt der Kreis zu den Internationalen Förderklassen?  

Frau Kättnis:
Ja, durch die Option, diejenigen Schülerinnen und Schüler, die eine besonders intensive Förderung beim Spracherwerb benötigen, auch zu Beginn des Schuljahres in FFM aufzunehmen, wird eine zusätzliche und stärkere Flexibilisierung bei der Sprachförderung ermöglicht. Zugleich wird die Lerngruppe in den IFK homogener, so dass dort in Zukunft mehr Schülerinnen und Schüler zielgerichtet gefördert werden können, um so den Ersten Schulabschluss erlangen zu können und zugleich beruflich orientiert zu werden und damit die Ziele des Bildungsganges zu erreichen.

Herr Dolgner:
Frau Kättnis und Herr Nüchter, vielen Dank dafür.
Und wer das hier alles, was wir gesagt haben, nachlesen möchte, der kann das tun. Auf der Webseite www.schulministerium.nrw ist das, was wir hier erzählt, gesagt und gesprochen haben, noch mal verschriftet. Wir können auch noch mal die Webadresse nennen, wo es genau diese Informationen zu den IFK-Klassen gibt, nämlich www.berufsbildung.nrw.de. Ich sage Danke fürs Mitmachen, und wir hören uns bald wieder.

Frau Kättnis und Herr Nüchter:
Vielen Dank, Tschüs.